Gemischte Freimaurerei
Die ersten modernen Logen waren reine Männerlogen. Gemäß der englischen „Alten Pflichten“ von 1723 sind in der sogenannten „regulären Freimaurerei“ Frauen ausgeschlossen. Begründungen für den Ausschluss des „weiblichen Geschlechts“ leitete man aus der Historie und selbst aus der Bibel ab, indem man behauptete, dass Neugier und Sündenfall im Paradies von Eva – und somit von einer Frau – verursacht worden wären. Man war davon überzeugt, dass ihr Beitritt zu Zerrüttungen führen und die Männer von ihrer Arbeit am Bau des „Tempels der Tugend“ abhalten würde.
In der Regel wird die Gründung eines gemischten Ordens in Frankreich (Le Droit Humaine) im Jahr 1893 durch Marie Deraismes (1828-1894) als Beginn der gemischten Freimaurerei allgemein genannt. Gearbeitet wurde in sogenannten Adoptionslogen, ausschließlich unter der Leitung und Kontrolle von Männern.
Die gemischte Freimaurerei in Deutschland
Über den Beginn der gemischten Freimaurerei in Deutschland ist in den einschlägigen Werken kaum etwas zu finden. Findet sie Erwähnung, so ist diese in der regel sehr vage gehalten, genaue Daten und Zusammenhänge fehlen häufig. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sind in Deutschland nachweislich auch reine Frauen- sowie gemischte Logen entstanden, die damit auch den Frauen offen stehen. Diese Logen werden jedoch von der Vereinigten Großloge von England (UGLE) als den „Alten Pflichten“ nicht entsprechend, als „irregulär“ bezeichnet.
Bis heute wird die Frage sehr kontronvers diskutiert, wer eigentlich darüber bestimmt, was „regulär“ und „irregulär“ ist, und ob dazu nicht zwei Seiten gehören: die eine, die sich als „regulär“ bezeichnet und damit die Hälfte der Menschheit von der Freimauereri ausschließt, und die andere, die sich als „irregulär“ betiteln lässt...
Die „Societé Jointe“ oder der „Orden der verbundenen Freundschaft“ in Marburg
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Salonkultur parallel zu den Freimaurerorden als konkurrierendes Geselligkeitsmodell, wobei man sich wechselseitig befruchtete. Das französische Adelsmodell der weiblichen Emanzipation färbte auch auf den deutschsprachigen Raum ab, häufig von weiblichen Fürsten oder Fürstengattinnen angestoßen.
Bemerkenswert ist, dass im vorrevolutionären Aufklärungszeitalter Frauen der Oberschicht in Frankreich und in Deutschland die exponierte Rollen zufiel, neue Bindekräfte der geselligen Gemeinschaftlichkeit auszutesten, seien dies nun ritterschaftliche Orden
oder freimaurerische Adoptionslogen (teilweise vom Grand Orient de France anerkannt), in denen Frauen, betreut von Männerlogen in eigenen, gleichwohl abhängigen Logen arbeiten konnten. Angeblich gab es in Hamburg bereits 1759 eine erste gemischt arbeitende Loge. (Diese Behauptung taucht mehrfach auf (Groß-) Logenhomepages und in verschriftlichen Vorträgen auf, wird jedoch bei keiner Nennung mit Quellen belegt. Bsp: „In Hamburg wurde 1759 eine erste Freimaurerloge gegründet, die sowohl Männer als auch Frauen als Mitglieder aufnahm.“ (Quelle: http://ww.w.sgovd.org/content/freimaurerei-aller-menschen).
Neueste Forschungen haben etwas Licht in die Anfänge der deutschen gemischten Freimaurerei gebracht: Der Geheimrat und Gesamhofrichter Georg Friedrich Wilhelm von Breidenbach (1733-1784), Mitglied der 1743 gegründeten Loge "Zum gekrönten Löwen" in Marburg, war 1776 der Gründer der "Societé Jointe" in Marburg. Diese hatte namhafte adelige Förderer, aber auch ausgesprochene Gegner. Letztere argumentierten, der "neue Orden beiderlei Geschlechts (..) werde der Maurerei nachteilig und wende "würdige und nützliche Mitglieder von der Maurerei [ab]." Daher sei "sämtlichen Maurern in Marburg (..) [der] Besuch der Societé [zu ] verbieten." Sie argumentierten "...gegen das sardanapalische Schwärmen und die Frauenklatschereien müssten weltliche und maconische Autoritäten einschreiten." Die (Gründungs-) Mitglieder der „Societé Jointe“, wie sie aus der erhaltenen Gründungsakte hervorgehen (..) gehörten ausnahmslos der Aristokratie, dem gehobenen Bürgertum, bzw. höheren militärischen Rängen, an. Auffällig ist auch die große Anzahl an Frauen, deren Männer/ Väter/ Brüder bereits initiiert waren. Wie lang die „Societé Jointe“ Bestand hatte und wie oft sie arbeitete, geht aus den Quellen nicht hervor. Sie hat wohl nicht einmal bis zum Beginn der Französischen Revolution bestanden.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie fremd vielen Brüdern auch heute noch der Gedanke an eine gemeinsame rituelle Arbeit von Brüdern und Schwestern ist. Aus welchen Gründen auch immer.
Zum Schluss sei ein Zitat angeführt aus Lilo Almogs Traktat “Frauen als Freimaurer“:
„Es geziemt sich für uns als Freimaurer beiderlei Geschlechts, das Verrückbare über das Unverrückbare zu stellen und trotz des zähen Widerstandes, der uns aus der jahrhundertelangen Geschichte fesselt, an der Verwirklichung des Bildes von freien und gleichen Menschen zu arbeiten.
(...) Ich glaube auch nicht an spezifisch weibliche oder männliche Symbole und wenn der Gedanke geistert, die Werkzeuge des Steinmetzes seien doch der Natur der Frau fremd, halte ich das für sexistisch. Und wenn davon die Rede ist – und ich gestehe, so einen Ausritt habe ich mir in meiner Vergangenheit selbst einmal erlaubt – dass zum Beispiel die Bilderwelt der Gärtnerei der Gebärerin und Hegerin viel besser entspricht, so lade ich heute meine Brüder dazu ein, vielleicht auf diesem Wege ihrer eigenen weiblichen Seite näher zu treten." 1
... und den Brüdern der ausschließlich männlichen Kette sei zu bedenken gegeben:
Am 8. Dezember 1918 konstituierte sich die Großloge von Wien, allerdings wieder als ausschließlicher Männerbund. Gleichzeitig wurde erneut über die Aufnahme von Frauen diskutiert. In der "Wiener Freimaurer-Zeitung" stand diesbezüglich 1919: „Die Frau ist nunmehr dem Manne gleichberechtigt. Das ist Gesetz. Und wir als Maurer haben die beschworene Pflicht, Gesetze zu achten, mag es auch in diesem Punkt manchem schwerfallen. Passen wir uns der Zeit an, dass sie nicht über uns hinweggehe.“2
1 Almog, Lilo: „Frauen als Freimaurer“, die österreichische Freimaurerin Lilo Almog hat dazu im Juni 2011 in einem Workshop der österreichischen Loge ‚Lux Rosenau’ einen Vortrag gehalten. In: https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Lilo_Almog_%E2%80%93_Frauen_als_Freimaurer
2 Fischer, LIsa: Freiheit-Gleichheit- Geschwisterlichkeit oder über die Einlösung eines masonischen Anspruches im Licht der Erkenntnis, in: Wiener Jahrbuch für historische Freimaurerforschung Nr. 35/2015 (Hg: Quoator Coronati), Wien 2015, Verlag Löcker (Entnahme aus: https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Lisa_Fischer_-_Frauen_und_die_K%C3%B6nigliche_Kunst)